An einem Mittwochabend treffe ich einen Teil der 37 Holdriofäger in ihrem Lager in der Langrüti. Sie sind mitten in den Vorbereitungen für die Fasnachtseröffnung in Cham, und der ehemalige Viehstall, der nun als Lager und Werkstatt dient, vibriert vor Aktivität. Im Hintergrund ragen Reliefs Schweizer Bergketten empor, im Vordergrund stehen Farbeimer und fleissige Hände. Das Bühnenbild stammt aus der Feder von Daniele, auch «Stuzzi» gennant, dem Chef der Baugruppe. Mit einem Faible für Spanplatten und Farbe leitet er die Umsetzung des aufwendigen Szenarios. Nach einer Tour durch die Räumlichkeiten – gefüllt mit Erinnerungsstücken aus der 31-jährigen Vereinsgeschichte – darf ich auch selbst Hand anlegen.
«D Lüt» – die Essenz der Holdriofäger
Auf die Frage, was das Highlight der Holdriofäger sei, antwortet Manon, Werbechefin und Social-Media- Verantwortliche, ohne zu zögern: «D Lüt.» Die Holdriofäger sind ein bunter Mix aus Menschen zwischen 18 und 36 Jahren – von Landwirten über Sozialpädagogen, Kältetechniker, Umweltingenieure, Krankenpfleger bis hin zu Lehrern und Dachdeckern. Viele fanden über Geschwister, Freunde oder die Fasnacht ihren Weg in die Gugge. «Wir sind wie eine Familie», erzählt Manon, während sie schwarze Farbe aufträgt. «Wenn jemand Hilfe braucht, steht sofort jemand bereit.» Auch für die Partnersuche oder Familiengründung erwiesen sich die Holdriofäger als hilfreich.
Fasnacht ist nie wirklich vorbei
Seit September wird jeden Sonntagabend zwischen 18 und 20 Uhr geprobt. Doch neben der Musik hat jedes Mitglied ein eigenes «Ämtli». Vom der Tambourmajorin, der Tambini, bis hin zu den Verantwortlichen für Werbung, Touren, Lager und Wagen – jede Aufgabe ist wichtig. Es gibt Komitees für Schminken, Choreografie, Musik und die Organisation der grossen Events wie dem Müüürig (Fasnachtsball im Lorzensaal). Auch abseits der Proben ist der Verein aktiv. Bei Frühlingsbrötlete, Volleyballturnieren und Unihockey- Matches trifft man auf befreundete Guggen, mit denen man eine «brüderliche Rivalität» pflegt. Zu hören bekommt man die Holdriofäger übrigens nicht nur an der Fasnacht. Sie spielen regelmässig in Altersheimen, Schulen, an Hochzeiten, Geburtstagen und gemeinnützigen Anlässen.
Schminken wie die Profis
Das Motto »Holzfäller» wurde bei der Generalversammlung aus 15 Vorschlägen gewählt. Die Gewinnergruppe hatte die Ehre, das Fasnachtsgewand zu entwerfen. Für sie verkörpert der Holzfäller perfekt die Holdriofäger- Mentalität: bodenständig, feierlustig, ein bisschen wild, aber halt mit «Stiiihl». Am Samstag vor der Rassler-Party in Horw verwandelt sich das Langhuus in eine Schminkstation. In präzise getakteten 15-Minuten-Slots wird jedes Mitglied von einem Normalo zur rot-grün leuchtenden Fasnachtsikone. Zuerst kommt die Grundierung, dann die Farbschichten, und zum Schluss werden Details wie Holzfällermuster und Vereinslogo mit Schablonen aufgetragen.

Ein «Grüene mit Mineral»
Langsam nimmt der Abend Fahrt auf. Im Hintergrund läuft Musik. Das Lieblingslied der Holdrios ist übrigens «Kommende Zeiten» von der Band «Thomas Hegner und Cyrill Rusch». Mit einem «Grüene mit Mineral», dem Signature-Drink der Holdriofäger, treffen sich die geschminkten Mitglieder zum geselligen Plausch. Hier treffe ich Flo, den «Doppelmeter», den inoffiziellen Historiker der Truppe. In seinem Notizbuch hält er akribisch die besten Geschichten und Streiche der Touren fest, um sie beim jährlichen Abschlusshöck wieder auszupacken. Dort werden auch die legendären HF-Awards verliehen. Kategorien? Reine Improvisation. Die Preise reichen von einem «Güselgrifer» bis zu einem goldenen Kondom. Besonders eindrücklich ist der «Liristei», ein 300-Kilo-Stein für Mitglieder mit besonders losem Mundwerk, der direkt vor der Eingangstür des Elternhauses abgeliefert wurde.
Scherereien oder «Hobleye»
Liebevolle Streiche zu spielen gehört ebenso zur Ball-Etikette wie zu tief ins Glas zu schauen. So hätten die Holdriofäger einmal im Luzernischen sämtliche Ortsschilder abgeschraubt. In einem anderen Jahr schüttete als Racheakt für einige demolierte Dekostücke, eine andere Gugge am Müüürig sechs 100-Liter-Säcke gefüllt mit Styroporkügelchen im Lorzensaal aus. In den frühen Morgenstunden hätte aus Versehen auch schon ein Elektrokocher auf der Herdplatte vor sich hingeschmörzelt. Eine der bekanntesten Storys aus der Vereinsgeschichte möchte ich euch nicht vorenthalten: Es war nach dem Gagserball in Hasle, an einem Mittwochabend, als ein besonders ausgelassen feierndes Mitglied den Heimweg zum SchmuDo antreten wollte. Doch die Zugfahrt verlief nicht ganz wie geplant. Er schlief ein – und wachte erst in St. Gallen auf. Sichtlich verwirrt und in Eile sprang er in den nächsten Zug zurück, nur um erneut einzuschlafen und diesmal im Solothurnischen aufzuwachen. Erst am Donnerstagnachmittag schaffte er es zurück zu seiner Truppe.

Warum man sich das antut
Wenn’s nicht bereits offensichtlich ist, wird es im Gespräch mit den Holdrios schnell klar: Die Gugge ist eine Flucht aus dem Alltag. Sie bietet eine unbeschwerte Welt voller Gemeinschaft, Kreativität und Spass. Es ist genau dieser einzigartige Zusammenhalt, der die Holdriofäger durch die strapaziösen Touren mit intensivem Einsatz und durchgemachten Nächten trägt. «Wenn die Fasnacht dann mal vorbei ist, ist man aber schon froh, freut sich aber schon auf die nächste Saison.»
Der Car ruft
Das Summen des Airbrushes verstummt – der Car ist da. Für die Holdriofäger geht es jetzt los nach Horw zur Rassler- Party. Die Kostüme sitzen, die Farben leuchten, und die Truppe strahlt vor Vorfreude. Während der Car davonrollt, bleibt ein leises Bedauern zurück: Irgendwie wurmt es mich, dass ich nicht dabei bin, um das Highlight des Abends mitzuerleben. Ob die vielen Geschichten tatsächlich so passiert sind oder doch etwas ausgeschmückt wurden? Vielleicht ist es besser, dass ich es nicht weiss – schliesslich möchte ich euch nicht zu viel vorwegnehmen. Ihr habt nämlich die perfekte Gelegenheit, dieses Versäumnis gemeinsam mit mir nachzuholen. Sei mit dabei, wenn die Holdriofäger mit «Stiiihl» die Bühnen erzittern lassen. Die Holdriofäger sind während der Fasnacht auf Tour – ob in Hünenberg, Sins, Baar, Luzern, oder Zug. Doch zwei Termine solltest du dir besonders fett im Kalender anstreichen:
7. Februar, 19.30 Uhr | 1. März, 17.30 Uhr |
Fasieröffnig | Müüürig |
Rigiplatz in Cham | Lorzensaal |